
Die Raumstation Elysium-7 hing wie ein vergessener Stern in der endlosen Schwärze des Alls. Neun Monate
hatte Commander Lena Voss hier verbracht – neun Monate aus Stille, Routine und der gnadenlosen Einsamkeit,
die nur das leise Summen der Lebenserhaltungssysteme unterbrach. Die Wände des Kontrollraums, einst steril
und funktional, wirkten inzwischen wie die Zellen eines Gefängnisses, das sie langsam erstickte. Sie lehnte sich
in ihrem Sitz zurück, die Finger über die Konsole gleitend, als das Funkgerät plötzlich mit einem schrillen
Rauschen zu Leben erwachte.
„Elysium-7, kommen. Wiederholung: Elysium-7, kommen.“
Lena riss die Augen auf. Endlich. Kontakt. Ihre Stimme war heiser, als sie antwortete: „Hier Voss. Empfang laut
und klar. Was zum Teufel—“
Doch das Rauschen erstarb so abrupt, wie es gekommen war. Nur noch Stille. Dann ein Knacken, ein letzter,
verzerrter Laut, als würde jemand am anderen Ende den Stecker ziehen. Sie hämmerte auf die Tasten, versuchte
andere Frequenzen, doch es war, als hätte das Universum selbst den Atem angehalten. Plötzlich flackerten die
Lichter. Einmal. Zweimal. Dann erloschen sie ganz.
Dunkelheit.
Nicht das sanfte, künstliche Dämmerlicht der Notbeleuchtung, sondern eine absolute, erstickende Finsternis, als
hätte jemand die Station aus der Realität geschnitten. Lena spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, das
Blut in ihren Ohren rauschte. Ihre Hände tasteten nach dem Notlichtschalter an der Wand, doch als ihre Finger
den kalten Metallknopf fanden, geschah nichts. Scheiße. Sie atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe. Notstrom.
Muss den Notstrom aktivieren.
Doch bevor sie sich bewegen konnte, hörte sie es.
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Ein Geräusch.
Kein mechanisches Surren, kein vertrautes Klicken der Systeme – etwas Organisches. Ein feuchtes,
schmatzendes Knacken, als würde sich etwas durch die Luft bewegen, ohne sie zu berühren. Lena erstarrte. Ihr
Atem stockte. Dann, langsam, als würde die Dunkelheit selbst Form annehmen, begann sich vor ihr ein Schatten
zu verdichten.
Zuerst nur ein Flackern, wie ein defekter Bildschirm. Dann Umrisse. Eine Silhouette, die sich aufrichtete, größer
wurde, bis sie fast die Decke streifte. Lena wich zurück, ihr Rücken presste sich gegen die Konsole, die Kanten
gruben sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Das kann nicht sein. Das gibt es nicht. Doch es war. Die Luft um die
Gestalt schien zu vibrieren, als würde sie das Licht verschlucken, statt es zu reflektieren. Dann – ein Blinken.
Zwei glühende Punkte, wie geschmolzenes Gold, öffneten sich in der Finsternis.
Augen.
Sie starrten sie an. Nicht kalt, nicht berechnend. Neugierig.
Lena riss sich los, stolperte rückwärts, ihr Stiefel verhedderte sich in einem losen Kabel. „Wer – was – zum
Teufel bist du?!“ Ihre Stimme überschlug sich, doch die Gestalt bewegte sich nicht. Stattdessen hörte sie ein
Geräusch, das wie ein Lachen klang, wenn auch verzerrt, als würde es durch Wasser gedämpft.
„…interessant.“
Die Stimme war kein Sound, kein Schall, der an ihr Ohr drang. Sie war einfach in ihrem Kopf. Tiefe, vibrierende
Resonanz, die sich direkt in ihren Gedanken ausbreitete. Lena keuchte, presste die Hände gegen ihre Schläfen.
„Raus aus meinem Kopf!“ Doch das Wesen – Ding – reagierte nur mit einem weiteren gedanklichen Kichern.
„Keine Angst. Ich lese nur. Ich nehme.“ Die Stimme wurde weicher, fast… samtig. „Deine Bilder sind…
faszinierend.“
„Wovon redest du?“ Lena spürte, wie ihr Körper zu zittern begann. Nicht aus Kälte. Aus etwas anderem. Etwas,
das sich in ihr regte, seit die Stimme in ihr widerhallte.
Ein Bild blitzte in ihrem Kopf auf. Nicht ihres. Sein. Eine flackernde, verzerrte Aufnahme – Pixel, die sich zu
Formen zusammenfügten. Ein Mann. Eine Frau. Hinter ihr. Hände, die sich in ihre Hüften krallten. Ein Rhythmus.
Stoßend. Hart. Doggystyle. Lena spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Das… das ist ein Porno. Ein Signal, das die
Station irgendwann aufgefangen hatte, verloren im Äther. Und es hatte es gesehen.
„Ja,“ flüsterte die Stimme in ihrem Kopf, fast ehrfürchtig. „Das ist… wie ihr euch paart. So… intensiv. So
physisch.“ Die Silhouette bewegte sich, kam näher. Lena konnte jetzt Details erkennen – oder was sie für
Details hielt. Die Haut (wenn es Haut war) schimmerte wie Öl auf Wasser, schillernd in Farben, die kein
menschliches Auge hätte benennen können. „Ich habe viele dieser Signale empfangen. Aber ich verstehe es
nicht ganz. Warum… warum ist das so wichtig für euch?“
Lena spürte, wie ihr Mund trocken wurde. Ihr Blick fiel auf die Konturen des Wesens – oder vielmehr, auf das,
was sich dort abzeichnete, wo bei einem Mann… etwas gewesen wäre. Eine Wölbung. Eine Ausbeulung, die sich
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